Das ist sicherlich eine sehr gewagte Aussage, doch lassen Sie mich kurz diesen Satz mit etwas mehr Perspektive betrachten:
Als Kinder – im Vorschulalter – sind wir geradezu Lernmaschinen. Jeden Tag, jede Stunde, wenn nicht sogar jede Minute lernen wir etwas Neues. Wir sind die ganze Zeit dabei immer mehr zu lernen. Wir lernen, dass manche unserer Ansätze nicht funktionieren, probieren dann etwas anderes, neues, und machen so iterativ und inkrementell Fortschritte auf ein Ziel hin. Unsere Eltern sind jedes Mal begeistert, wenn wir neue Wörter lernen, krabbeln, oder laufen, auch rennen lernen.
Sie passen unsere Umgebung so an, dass wir eine optimale Lernumgebung vorfinden. Kleine Teile werden mit zunehmender Körpergrösse und aufrechtem Ganz mehrere Regalbretter höher platziert, Pflanzen vom Boden auf andere Dinge gehievt, gegebenenfalls die ein oder andere Absperrung errichtet. All das, damit wir in unserem Tempo, mit unseren Möglichkeiten weiter auf unserem Lernweg rollen, krabbeln oder schreiten können.
Es gibt keinen Elternteil, der seinem Kind nach dem 20. oder 50. Versuch zu laufen sagt: „Vergiss es, das lernst du nie! Schuster bleib bei deinen Leisten und krabble durchs Leben.“
Wie viele Versuche haben sie gebraucht um von „mmmmmamamama“ zu „Montageanleitung“ zu kommen?
Dann kommt die Schule. Ich weiss ja nicht, wie es in ihrer Schule so war. Bei uns war es immer so, dass der Lehrkörper mit Rotstift Dinge markierte, die seiner Meinung nach noch nicht dem Optimum entsprachen. Jeder noch so kleine Fehler wurde markiert. Richtiges wurde nicht mehr gefeiert. Der Fokus verschob sich vom Erfolg zum Misserfolg, vom Lernen zum Fehler.
Je weniger Fehler man hatte desto besser.
Zusätzlich errichtete die Schule Barrieren um das Lernen herum. In jedem „Fach“ gab es Lernziele, waren die fehlerfrei war alles erreicht. Mehr musste nicht sein, es musste nur die Vorgabe erfüllt werden. Wissen und Fächer wurden eingezäunt, ein Mehr an Wissen wurde nicht mehr wahrgenommen, geschweige denn gelobt. Vielmehr gab es auch den Tipp sich mehr auf andere Fächer – die, die noch nicht so „gut“ waren – zu konzentrieren. So als ob der Lernaufwand in einem Fach identisch ist mit dem in einem anderen.
Fünf bis sieben Jahre in der Obhut unserer liebenden Eltern, die alles dafür tun, damit wir so viel und so schnell wie möglich lernen. Danach 10 Jahre Schule, die alles dafür tut, das wir Fehler als prinzipiell schlecht anerkennen und Lernen nur noch in einem engen Korsett eines Themas verstehen.
Das Sahnehäubchen des Lernirrsinns sind dann Unternehmen, die sich selbst eine Fehlerkultur zuschreiben. Diese fordern ihre Mitarbeiter auf, mutig zu sein und auch Fehler zu machen. Mitarbeiter, die sehr wahrscheinlich in der Fehlerkultur der Schule sozialisiert worden sind. Mitarbeiter, die eher keine Fehler machen möchten, weil das mit eher negativen Konsequenzen konnotiert ist. Was kann da schon schief gehen? Alles!
Nehmen wir doch einfach mal zur Kenntnis, wie stark uns die Schule, Lehre, FH, Uni und andere Arbeitserfahrungen geprägt haben. Nehmen wir doch einfach mal wahr, dass wir uns – zumindest in Mitteleuropa – komplett auf die Vermeidung von Fehlern konditioniert haben. Seien wir doch einfach ehrlich mit uns und unserer Kultur.
Lasst uns doch eine Lernkultur schaffen, in der es keine Fehler mehr gibt, sondern Möglichkeiten bisheriges Wissen anzupassen, neue Wege auszuprobieren und gemeinsam, miteinander einen neuen, noch besseren Lernkontext zu entwickeln, in dem wir alle voneinander und miteinander lernen und immer besser werden.
Wir bei Yes and Why sind mit dabei, wir haben keine Fehlerkultur. Wir haben eine Lernkultur. Was denken Sie darüber?