Hintergrund
Spiral Dynamics ist ein psychologischer und soziologischer Rahmen, der die menschliche Entwicklung und Wertesysteme abbildet. Es wurde von Clare W. Graves entwickelt und später durch das Buch von Don Beck und Christopher Cowan „Spiral Dynamics: Werte, Führung und Wandel“ der breiteren Öffentlichkeit bekannt. Frederic Laloux verarbeitete das Modell in seinem Buch „Reinventing Organizations“.
Das Modell beschreibt die Entwicklung des menschlichen Bewusstseins auf der einen und die anscheinend spiegelbildliche verlaufende Entwicklung gesellschaftlicher Strukturen auf der anderen Seite durch eine Reihe von Stufen/Farben, die jeweils mit bestimmten Werten, Verhaltensweisen und Denkweisen verbunden sind.
Hast du dich schon einmal gefragt, warum Teams innerhalb derselben Organisation, die dieselben Ziele verfolgen, oft über Prioritäten, Entscheidungen oder einfach über die Art und Weise, wie sie ihre Arbeit angehen, aneinandergeraten? Dabei geht es nicht nur um Persönlichkeiten, sondern oft auch um das Aufeinandertreffen von Wertsystemen. Hier kommt Spiral Dynamics ins Spiel, eine leistungsstarke Linse, um menschliches Verhalten und Teamdynamik, von den kleinsten Interaktionen bis hin zu den größten organisatorischen Veränderungen, zu beobachten und zu verstehen.
Was ist Spiral Dynamics, und warum ist es wichtig?
Spiral Dynamics ist wie ein Fahrplan, um zu verstehen, warum du so denkst und handelst, wie du es tust. Es zeigt, wie Individuen und Gruppen sich durch verschiedene Bewusstseinsstufen entwickeln, jede mit ihrem eigenen einzigartigen Wertesystem. Diese Ebenen werden als Spirale visualisiert, wobei jede Stufe auf der vorherigen aufbaut – wie ein Upgrade des Betriebssystems, bei dem die Kernfunktionalität erhalten bleibt.
Spannenderweise kannst du auf einer Spiralebene leicht die darunter liegenden erkennen, hast jedoch meist Probleme, dich in die Denk- und Handlungsmuster der darüber liegenden hineinzuversetzen.
Das ist der entscheidende Punkt: Menschen und Teams arbeiten zu unterschiedlichen Zeiten auf verschiedenen Stufen. In einem einzigen Team kann es dir vielleicht darum gehen, die Quartalszahlen zu erreichen (Orange), während eine Kollegin für eine stärker gemeinschaftsorientierte Entscheidungsfindung eintritt (Grün). Das heißt nicht, dass du Recht hast und sie Unrecht – ihr habt einfach andere Werte.
Die Spirale in Aktion
Unterteilen wir die Spirale in die Farben der Spiraldynamik und sehen wir, wie sie sich in Teams und Organisationen zeigen:
- Beige (Überleben): Kommt in modernen Organisationen selten vor, taucht aber in Krisensituationen auf. Denke an ein Startup-Unternehmen in seinen Anfängen, wo Überleben bedeutet, sich um den nächsten Kunden oder Gehaltsscheck zu bemühen.
- Violett (Stammesdenken): Dies zeigt sich in eng verbundenen Teams mit einem Gefühl der Loyalität und Tradition. „So haben wir es schon immer gemacht“ könnte ihr Mantra sein. Es ist gut für den Zusammenhalt, hat aber Probleme mit Veränderungen.
- Rot (Macht): Kühn, durchsetzungsfähig und manchmal chaotisch. Rot schätzt individuelle Macht und Stärke. In Teams kann sich dies in einer dominanten Führungsperson oder in konfliktreichen Interaktionen äußern.
- Blau (Ordnung): Die Regelbefolger. Diese Teammitglieder fühlen sich in Strukturen, klaren Hierarchien und Prozessen wohl. Sie können ein Team verankern, widerstehen möglicherweise Experimenten und haben Schwierigkeiten mit Veränderung.
- Orange (Leistung): Die Draufgänger! Sie sind zielstrebig, wettbewerbsorientiert und konzentrieren sich auf Messwerte. Diese Stufe kommt häufig in Verkaufsteams oder bei innovationsorientierten Projekten zum Tragen. Wer leistet mehr oder weniger, ist eine häufige Frage auf dieser Ebene.
- Grün (Gemeinschaft): Zusammenarbeit und Einbeziehung sind hier der Schlüssel. Grün orientierte Teams konzentrieren sich auf Gleichberechtigung, Integration und gemeinsame Führung, haben aber möglicherweise Probleme mit der Entscheidungsfindung unter Druck.
- Gelb (Systeme): Denker, die in großen Zusammenhängen denken und mehrere Perspektiven integrieren können. Sie zeichnen sich durch ihre Fähigkeit aus, Zusammenhänge zu erkennen, können aber auf eher bodenständige Teammitglieder (Blau und Orange beispielsweise) distanziert wirken.
- Türkis (Ganzheitlich): Türkis ist in den meisten Organisationen selten und fördert das globale Bewusstsein und die Einheit. Stelle dir ein Team vor, das von der Lösung der größten Herausforderungen der Menschheit angetrieben wird.
Anwendung der Spiraldynamik auf die Teamdynamik
Lass uns dies nun praktisch umsetzen. Hast du schon einmal erlebt, wie sich diese Wertekonflikte in Besprechungen abspielen? Vielleicht bestehst du auf der Einhaltung von Verfahren (Blau), während eine andere Person dafür plädiert, Grenzen zu überschreiten und Risiken einzugehen (Orange). Oder eine Führungskraft, die sich für Teamarbeit einsetzt (Grün), frustriert ein Teammitglied, das einfach nur Entscheidungen treffen und vorankommen will (Rot).
Spiral Dynamics lehrt dich, diese Unterschiede nicht zu bekämpfen, sondern sie zu verstehen und zu nutzen.
Wie kannst du Spiral Dynamics praktisch anwenden?
Schritt 1: Identifiziere die vorherrschenden Wertesysteme in deinem Team.
Denke darüber nach, wie dein Team arbeitet. Ist es prozessorientiert (Blau)? Besessen von Metriken (Orange)? Oder legt es Wert auf offene Zusammenarbeit (Grün)? Scrum Master aus der gelben oder türkisen Farbe sind sehr gute Kandidaten!
Schritt 2: Hole die Menschen dort ab, wo sie sind.
Wenn du ein Team mit starken blauen Tendenzen leitest, könnten zu viele Veränderungen zu schnell nach hinten losgehen. Umgekehrt wird sich ein Team mit grüner Ausrichtung gegen Weisungen von oben wehren.
Schritt 3: Die Lücken schließen.
Dies ist der Moment, in dem die Magie geschieht. Verwende eine Kommunikation, die auf die Werte der einzelnen Stufen zugeschnitten ist. Zum Beispiel:
- Um ein blaues Team für die Innovation zu gewinnen, stelle sie als eine Möglichkeit dar, die langfristige Stabilität zu verbessern.
- Um Orange zu inspirieren, betone den Wettbewerbsvorteil, den sie durch die Annahme von Veränderungen erlangen.
Schritt 4: Mehrere Ebenen integrieren.
Ein leistungsstarkes Team integriert Perspektiven aus verschiedenen Ebenen. Kombiniere zum Beispiel die Inklusivität von Grün mit dem Ergebnisstreben von Orange und dem strukturierten Ansatz von Blau.
Spiraldynamik und organisatorischer Wandel
Organisationen, wie auch Menschen, agieren auf den dominanten Stufen der Spirale. Neugründungen verkörpern oft die Farben Rot und Orange, die sich durch Tatkraft und Risikobereitschaft auszeichnen. Wenn sie wachsen, können sie sich zu Blau mit strukturierten Prozessen oder sogar zu Grün mit Schwerpunkt auf Kultur und Nachhaltigkeit entwickeln.
Das Verständnis dieser Entwicklung hilft dir, deine Organisation effektiver zu führen. Wenn du Veränderungen leitest, solltest du dir darüber im Klaren sein, dass verschiedene Teams oder Abteilungen sich in unterschiedlichen Phasen befinden können. Der Schlüssel liegt darin, die Veränderungsinitiative mit ihren Werten in Einklang zu bringen.
Ein Beispiel:
- Einführung agiler Praktiken (Gelb) in einem Unternehmen, in dem Blau dominiert? Hebe hervor, wie dies mehr Struktur und Vorhersehbarkeit (und nicht nur Flexibilität) bringen kann.
- Ermutigung zur Innovation in einem grünen Team? Stelle es als eine Möglichkeit dar, Menschen zu befähigen und gemeinsam Lösungen zu schaffen.
Eine persönliche Sichtweise
Als ich das erste Mal mit Spiral Dynamics in Berührung kam, sah ich es als ein Werkzeug zur Analyse anderer und auch von Organisationen. Es half mir, unterschiedliche Dynamiken besser einzuordnen und zu navigieren. Mit der Zeit wurde mir klar, dass es genauso sehr um Selbsterkenntnis geht. Wo befinde ich mich auf der Spirale, und wie beeinflusst das meinen Führungsstil? Aktueller Zustand: Klares Orange-Gelb und ein Hauch Türkis. Wer sagte denn, man kann nur eine Farbe sein?
Bei einem Projekt hatte ich Schwierigkeiten, mit einem Team zusammenzuarbeiten, das Wert auf Prozesse legte (Blau), während ich eher unternehmerisch und risikofreudig dachte (Orange). Ich drängte immer wieder auf schnelle Erfolge, während sie sich bei jedem Schritt dagegen wehrten. Als ich ihr Wertesystem erkannte, änderte ich meinen Ansatz: Ich verlangsamte die Arbeit, betrachtete Veränderungen als Teil eines langfristigen Plans und baute Vertrauen durch Struktur auf. Das Ergebnis? Ein wunderbares Team, das gemeinsam vorankam, und eine Lehre in Geduld, die ich genießen durfte.
Schlussgedanken
Bei Spiral Dynamics geht es nicht darum, Menschen oder Teams mit einem Etikett zu versehen; es geht darum, das komplexe Wertegeflecht, das uns prägt, zu verstehen und zu steuern. Wenn du es mit Bedacht anwendest, kann es die Art und Weise, wie du führst, zusammenarbeitest und wächst, verändern – sei es in deinem Team oder in ganzen Organisationen.
Wo stehst du und dein Team auf der Spirale? Und was noch wichtiger
ist: Wie kannst du dieses Wissen nutzen, um eine blühende, anpassungsfähige und wertorientierte Kultur zu schaffen? Die Reise beginnt mit Neugier und der Bereitschaft, die Menschen dort abzuholen, wo sie sind.
Entwickle dich weiter!